Sound für das Wohnmobil

In meinem kleinen, vollintegrierten Wohnmobil möchte ich auch mal Musik hören. Die vom Hersteller vorgesehene Lösung befriedigt wenig: Auf Basis des Ducato 230 aufgebaut - zwar ohne das originale Fahrerhaus, aber mit dem originalen Armaturenbrett - gibt es zwei Einbauplätze... für ovale 4x9 - Speaker, etwa in Schienbeinhöhe. Da waren sogar ganz brauchbare Coaxial-Chassis drin, aber der Einbauplatz produzierte einen Klang, der an ein Telefongespräch erinnert. Zusätzlich gibt es auf der linken Seite, unter den Hängeschränken über dem "Sofa", zwei weitere baugleiche Chassis. Auf dem Sofa klingt es dünn aber schrill. Im Raum an sich klingt die ganze Konstruktion wie Omas "Batterie-Transistorradio" aus AM.

Das Ziel

Ich möchte während der Fahrt anständig Musik hören können. Das Wohnmobil fährt - verglichen mit Teilintegrierten - erstaunlich leise, obwohl es schon etwas älter ist. Der vordere Bereich soll also anständig versorgt werden können. Auch wenn man nicht mehr fährt, sondern "wohnt", möchte ich mal Musik hören, darf auch mal etwas lauter sein, so 100dB sollten es schon werden. High-End-HiFi lässt sich kaum realisieren, aber es soll trotzdem anständig klingen. Viel Platz darf es nicht brauchen, und auch Antriebe mit 200W fallen wegen Batteriebetrieb aus. Vorn ist noch ein Hubbett, auch da sollte man "was hören", wenn man faul in der Koje liegt.

Das Problem...

... ist der mögliche Einbauplatz. Das Armaturenbrett fällt eigentlich komplett aus: Da gibt es schon einen Rückfahrmonitor, einen Rolladen, das  Ding ist aus Plastik, die A-Säule winzig schmal, die Windschutzscheibe riesig. Durch das Hubbett fällt auch der Einbau an der Decke aus: unter dem Hubbett befestigt hört man nix mehr im Bett, und über dem Hubbett ist kein Platz - selbst wenn, man würde ja im Fahrersitz nichts davon haben. Der hintere Teil besteht aus Nasszelle, Küche, Bar - auch hier ist Nada. Die einzige Möglichkeit sind die Hängeschränke im mittleren Teil, und da vor allem die Unterseite. Das wäre dann gleich hinter dem Fahrer/Beifahrersitz, über dem Tisch bzw. am Anfang des "Sofas". Boxen rechts und links, genau mitten in dem üblichen "Aufenthaltsbereich". Nicht zu prall.

Die Lösung?

Für die Bässe lässt sich ein Subwoofer gut unter dem "Sofa" einbauen. Da ist ein Staufach, im hinteren Teil ragt dort der Radkasten rein, es liegen Schläuche für die Wasserbefüllung dort und der hintere Bereich ist auch nicht über die Außenklappe erreichbar. Auf das Stück kann man also gut verzichten. Und für die Mitten/Höhen könnte vielleicht sowas wie ein Rundstrahler helfen. Oder besser: ein 180° - Strahler. Probiert hab ich das noch nie, das ist wohl jetzt die Gelegenheit.

Komponenten und Simulation

Als Verstärker habe ich mir den Emphaser EA-D500 ausgeguckt. Der Verstärker liefer 4 Kanäle zu je 32W RMS an 4 Ohm, und einen Subwooferkanal mit 176W RMS an 4Ohm. Bevorzugt werden also Chassis mit kleinen Impedanzen und halbwegs gutem Wirkungsgrad. Integriert ist auch DSP mit aktiver Frequenzweiche, Laufzeitkorrektur, EQ und Pegelanpassung. Als kleines Highlight git es einen Bluetooth-Empfänger, der nicht nur für die Einstellung des DSP dient, sondern auch Musik streamen kann. 

Bei den Chassis habe ich vor allem bei Visaton gesucht. Erstens probierte ich noch nie Visaton-Chassis und war gespannt, was die können und zweitens gibt es dort eine brauchbare Datenbank mit Chassis-Parametern und -Messdaten. Da konnte man also bequem herumsuchen.

Im Subwoofer sollen zwei W170S in der 8-Ohm Variante arbeiten - parallel geschaltet kommen sie auf die gewünschten 4 Ohm. Eine passive Frequenzweiche ist nicht nötig, das erledigt der DSP. In der Simulation kann man das also wie eine 2-Wegebox mit einem W170S rechnen, für die zweite Box kommt ja dann ein weiterer hinzu. Ich hätte zwar lieber den W200S genommen, aber der passt vom Platz her grade nicht mehr hin.

Für den Mid-/High-Bereich soll es ein B100 Breitbandchassis werden. Probierte ich auch noch nie, bisher war mir ein separater Hochtöner wie ein ScanSpeak lieber, aber das Design mit dem "Halbrundstrahler" wird erheblich einfach, wenn ein Chassis den Job macht. Der B100 wird ja durchaus gelobt, die Größe und die technischen Daten passen gut, also rann ans Werk.

Als Volumen steht in dem Staufach mit der üblichen "Beladung" etwa 200l zur Verfügung, für den einzelnen Speaker also rund 100l. Das Staufach ist zwar halbwegs dicht, aber auch wegen der Außenklappe etc. nicht wirklich 100%ig. Gerechnet wurde es deshalb als Gehäuse mit grauselig schlechter Gehäusegüte. Abgestimmt als Bassreflex auf 35Hz. Wenn man etwas mit dem Volumen herumspielt zeigt sich: Änderungen am Voluem haben keinen riesen Einfluss. Das geht ein paar dB hoch und runter, aber wenn ich mir vorstelle, was da im Raum bei den Frequenzen passiert, wird das kaum auffallen. 

Der B100 wird nach oben hin böse laut. Er bekommt ein Volumen von 1,1l und kann damit bis etwa 120 Hz liefern. Als Trennfrequenz setze ich deshalb 130Hz an, das scheint ein guter Punkt zu sein:

freq.jpg

Damit der Bass nicht seine Pappe ausspuckt, wird er mit einem Filter 4. Ordnung bei 38Hz ruhig gestellt. Er kommt trotzdem unter 40Hz und dürfte auch etwas "wummerig" sein, in dem kleinen Raum dürfte es aber gut genug funktionieren. In der Simulation erkennt man die deutlich Zuhname der Höhen des B100. Um 7kHz und 15kHz passieren auch noch seltsame Dinge, vielleicht Partialschwingungen oder sowas. In den verfügbaren "Bausätzen" mit diesem Chassis findet sich deshalb oft ein passender Saugkreis zum Kompensation. Das Design als "Halbrundstrahler" mit seinem Reflektor soll jedoch im Hochtonbereich einiges an Energie schlucken, vielleicht die letztlich von der Überhöhung nix mehr übrig und sie stellt sich sogar als dienlich heraus. Wenn nötig, kann der DSP dort eingreifen. In die Simulation eingeflossen ist eine Absenkung des B100 um -3dB, so ergibt sich ein erstmal ganz gut passender Frequenzgang. Alles weitere wird praktischerweise mit dem DSP gradegebügelt. Nicht die feine Art, aber easy zu realisieren.

Der Reflektor

Der B100 - Breitbänder soll unter den Hängeschrank und grade nach unten strahlen. Dort trifft der Schall dann auf einen passenden Reflektor, der den Schall dann im Raum verteilt abstrahlt. Üblicherweise findet man hier Kegel - so ergibt sich eine recht flache Abstrahlebene, Gelegentlich findet man auch Kugeln, die dann sowohl vertikal als auch horizontal breit abstrahlen. Der Lautsprecher befindet sich direkt an der Außenwand, er soll also nur 180° horizontal abstrahlen, vertikal darf es aber durchaus sowas wie 90° sein. Als Grundform für den Reflektor bietet sich daher ein Segment eines Elipsioiden an. Mit ein bisschen "geometrisch" probieren kam ich auf folgende Form:

reflector.jpgOben, in dem Halbrund, wird später der Lautsprecher sitzen und nach unten auf den Reflektor abstrahlen. Die Form erlaubt, grob gesagt, eine Abstrahlung von etwa 40% des Schalls nach rechts und links (was vorn und hinten entspricht), und noch einen guten Teil des Schalls nach vorn (also in den Raum hinein), 

Die Halterung des Lautsprechers wird separat gefertigt - zwischen Lautsprecher und Reflektor sind an der engsten Stelle etwa 8mm, da würde man ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Einbau bekommen.

Das Gebilde wird dann im 3D-Drucker ausgedruckt und kann oben mit Schrauben befestigt werden. 

 

 

lshalter.jpgDer Lautsprecherhalter hat eine Höhe von 5cm und wird von unten gegen den Hängeschrank geschraubt. Zusammen mit den 14mm Holz und einem von oben verschraubtem 0,8l - Volumen (auch von Visaton) ergibt sich das gewünschte Volumen von 1,1l. Hier kommt natürlich auch noch Dämmmaterial hinzug, lose "gestopft". 

 

 

 

 

Der Einbau

Die Endstufe fand ihren Platz im Zwischenboden, von dort aus waren die Lautsprecherkabel (günstiges 4mmleicht zu den Lautsprechern zu verlegen - durch den Zwischenboden durch vorhandene Führungen zu den Hängeschränken. Lautsprecherhalterung, Lautsprecher und Volumen der Breitbänder wurden mit dem unteren Brett der Hängeschränke verschraubt und zusätzlich mit felx-Kleber abgedichtet. 

Die Bässe wurden in die untere Wand des "Sofas" montiert. Zum Glück war die Holzstärke hier ganz ordentlich: 14mm Pappel-Multiplex, das gab allen Lautsprechern den nötigen Halt. 

Die Enstufe selber hat einen "Remote-Eingang", über die sie eingeschaltet werden kann. Im Ruhemodus lag die Stromaufnahme bei 2mA, das schont die Batterie. Ein simpler Schalter erledigt den Job.

IMG_3722.jpgIMG_3721.jpg

 

 

 

 

 

 

Vom "Platzverbrauch" also übersichtlich - die Bässe benötigen jedoch noch einen Schutz, damit man nicht seinen Fuß da reinstecken kann. 

Erste Eindrücke

Der DSP wurde mit den Erkenntnissen aus der Simulation "gefüttert" und eine Laufzeitkorrektur für den "Raum" mit eingetragen. Die beiden kräftigen Spitzen bei 7kHz/15kHz bekamen noch einen -3dB Filter im EQ und dann ergab eine erste Messung:

LARSA.jpg

In der Tat "frisst" der Reflektor mit zunehmender Frequenz, von der ursprünglichen Überhöhung ist nicht mehr viel übrig. Ich habe mal grob nach Gehör mit dem EQ nachgeregelt, und letztlich kam da ein wirklich brauchbarer Sound raus. Bässe sind kräftig aber auch etwas wummerig, wie erwartet und wie man es im Auto kennt. Der Hochtonbereich des Breitbänders scheint mir etwas zickig, ist aber erstaunlich gut. Grundtonbereich funktioniert gut. Ist kein High-End, aber mehr als ich von der etwas wilden Konstruktion erwartet habe :)

Der Wechsel vom "Raum" auf den "Fahrersitz" war dann aber eher mies. Zum Glück kann der Verstärker mehrere Profile speichern - ein paar Pegel- und Laufzeitanpssungen brachten dann auch in der Position einen echt brauchbaren Klang. 

So als maximal-Pegel waren 105dB drin - eine Lautstärke, bei der so einiges in der Karre in Bewegung geriet, einschließlich des Bestecks in der Schublade. Mehr macht wohl auch keinen Sinn.

Der Verstärker ist - wenn kein Signal anliegt - ein wenig Noisy. Das kann jetzt an den offenen Analogeingängen liegen, denn sobald man eine BT-Verbindung herstellt, verschwindet das Geräusch. 

[..]

Inzwischen habe ich mich ein wenig eingehört und die Filter nachbearbeitet. Die Überhöhung, die der B100 bei 1,7kHz produziert ist nicht nur laut, sondern auch klanglich recht "unangenehm", und zwar eher so am oberen Rand bei ~2kHz. Das mag auch deshalb auffallen, weil gleich draunter ein Loch ist. Um den Bereich herum habe ich eine Weile herumprobiert, bis es gut klang. Etwas überrascht war ich dann bei der Messung, die Überhöhung ist immer noch gut erkennbar, allerding ist das Loch davor weg und der Peak liegt ein klein wenig tiefer. 

LARSA2.jpg

Der Bassbereich kommt jetzt ein wenig kräftiger - die Bassreflexrohre sind nun manuell abgestimmt und der Pegel ist etwas angepasst. Die beiden W170S arbeiten recht unkompliziert und tuen eigentlich genau das, wass sie sollen. Für die Raumgröße ist da noch Reserve, man könnte durchaus bei 50Hz noch etwas reinregeln, aber da gibt es auch irgendwo im Gebälk eine Resonz die nicht schön klingt, und tief genug fühlt/hört es sich auch so schon an. 

Die B100 Breitbänder - ist das nun "High End" oder eher nicht? Die Transparenz in den Mids + Höhen hat mir eigentlich gefallen, und es bleibt auch so wenn man laut (sowas knapp über 100dB)  hört. Bei "richtig laut" nimmt allerdings die Schärfe etwas zu und es klingt eher etwas angestrengt. Für kleine Boxen mit Subwoofer-Unterstützung machen sie aber einen richtig guten Job und für Ärger mit dem Nachbarn reicht die Lautstärke aus, auch ohne das Chassis in die Grenzen zu treiben. Für den Preis ein echter Tipp.

RasPi - Zuspieler

Der Verstärker kann gleich per Bluetooth angesteuert werden, was recht nützlich für Hörbücher oder einige Streaming-Dienste ist. Aber natürlich soll auch die eigene Muskbibliothek, die in großen Teilen in "HiRes" vorliegt, mit eingebunden werden können. Und Bluetooth hin oder her, es erreicht einfach nicht die Qualität, dazu kommen noch die "Klangverbesserungen" einiger Streamingdienste.

Die Wahl viel auf einen RasPi 4B mit 2GB RAM, einer 32GB SD-Karte und ein DAC von HifiBerry, die AMP2. Die hat zwar schon einen Verstärker mit drauf, aber der Emphaser hat leider auch nur Hi-Pegeleingänge. Passt also. Weiterer Vorteil: der AMP2 bekommt 12V..24V und versorgt darüber auch den RasPi gleich mit 5V. Spart einen separaten Spannungswandler. 

Als Software habe ich mich für Moode entschieden. Die Installation ist total simpel: Image herunterladen, mit Win32-Image auf eine SD-Karte schreiben (8GB reichen, mehr erlaubt auch noch, auf der SD-Karte lokal Musik zu speichern). Karte in den RasPi und - fertig. 

Der Router im WoMo ist per VPN mit dem Heimnetz verbunden, so kann also direkt auf die dort gespeicherte Musiksammlung zugegriffen werden. Zusätzlich kann Moode auch einige Streamingdienste direkt, Webradio und auch Datenspeicher wie USB-Sticks können verwendet werden. Die Stromaufnahme im Abspielbetrieb liegen bei rund 300mA (wird mit angeschlossenen externen Speichern wie HDD oder USB-Stick höher sein). Der Klang ist viel besser als über Bluetooth, grade in den Mitten und Höhen. Den EQ kann ich also noch mal einstellen ^^

Beim Einbau des RasPi habe ich auch noch eine andere Änderung vorgenommen: die Stromversorgung des RasPi und die Remote-Einschaltsteuerung kommt nun vom geschalteten Kreis des Elektroblocks. Heißt: Hauptschalter 12V am Panel aus = Verstärker und RasPi aus. 

Materialliste

  • AMP: Emphaser ea-d500 (ca. 300€)
  • 2 Stück Visaton W170S (je ca. 25€)
  • 2 Stück Visaton B100 (je ca. 70€)
  • 2 Stück Bassreflexrohre, 70mm Durchmesse, am Besten verschiebbare zur Anpassung (je ca. 3€)
  • 2 Stück Volumen Visaten AK10.13 (je ca. 5€)
  • rund 10m Lautsprecherkabel, 4mm2 (ca. 10€)
  • eine große Handvoll Dämmmaterial (ca. 1€)
  • Flex-Kleber zur Abdichtung, Klemmen für die Kabelverlegung etc.
     
  • RasPi 4B, 2GB RAM
  • HiFiBerry AMP2 DAC

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